Fallbeispiel: Gitta Z. hat Erythrophobie – Die Angst vor dem Erröten

by Udo Unruh on 3. Dezember 2011

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Ich heiße Gitta, ich bin 32 Jahre alt und leide an Erythrophobie. Zum Problem wurde meine Angst vorm Rot werden schon in meiner Kindheit. Es fing an als ich in der 5. Klasse war. Ich hatte mich im Deutschunterricht gemeldet, kam dran und gab eine Antwort. Die Antwort war falsch und meine Mitschüler lachten mich aus.

Schlagartig spürte ich, wie ich errötete und mein Gesicht sich ganz warm anfühlte. Das war ein sehr unangenehmes Gefühl. Schlimmer war jedoch das Gelächter meiner Mitschüler, die sich jetzt köstlich über meinen roten Kopf amüsierten. Sie nannten mich “Rotgesicht” und “Rotbäckchen”. Ich wollte in den Boden versinken und konnte mich gar nicht beruhigen.

Noch Tage später saß mir die Angst im Nacken. Ich fürchtete, ich könnte mich noch einmal so blamieren, könnte noch einmal in so eine schreckliche Situation geraten.

Und der Schreck saß mir auch Wochen später noch in den Knochen. Einige Wochen später begann ich mich im Unterricht weniger und schließlich gar nicht mehr zu melden. Ich war eigentlich ein aufgewecktes Kind, kein Draufgänger oder so, aber schüchtern war ich eigentlich nicht.

Jetzt zog ich mich aber immer mehr und mehr zurück. Wenn ich mich dann doch mal irgendwas traute und nur die Blicke Anderer wahrnahm, wurde ich schon rot. Es war schrecklich. Es kam mir vor, als ob jeder Kontakt mit anderen Menschen bei mir sofort zum Erröten führte. Ich entwickelte also immer mehr und mehr eine Angst vor anderen Leuten.

Das sagt ein Experte dazu:
Rein medizinisch gesehen kommt das Erröten dadurch zustande, dass das Gehirn Hormone aussendet, der Blutdruck steigt und die Gefäße erweitern sich.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wird man nicht einfach rot, sondern man ruft dieses Erröten selbst hervor. Der Körper führt lediglich den Auftrag zum Rotwerden aus. Das sind keine bewussten Aufträge, die dem Körper da gegeben werden, aber es sind Aufträge vom Gehirn und man kann lernen mehr oder sogar volle Kontrolle über diese Mechanismen zu bekommen.

In der Regel sind es besonders die Menschen, die immer und von Jedem gemocht werden wollen und sich Fehler gar nicht oder nur sehr schwer verzeihen können, die unter dem Erröten und der Angst davor leiden.

Das kann man tun:
Man kann versuchen sich selbst und vor allem auch Anderen zu erlauben Rot zu werden bzw. das Rotwerden zu sehen. Leider ist es nämlich so, dass die verzweifelten Versuche das Rotwerden zu verstecken, extreme Anspannungen erzeugen und so Röte überhaupt erst entsteht und die Röte so auch länger bestehen bleibt.

Betroffene können auch versuchen bestimmte Entspannungstechniken zu erlernen.
Man legt seine Hand flach ca. 2 cm unterhalb des Nabels auf die Bauchdecke. Dann atmet man tief ein und stellt sich vor, wie der Atem langsam bis hinunter in die Hand fließt und die Hand hoch atmet. Dann stellt man sich vor, wie der Atem wieder über den Brustraum zurück über die Nase nach außen entweicht, und konzentriert sich darauf, wie die Hand wieder nach unten sinkt. Mehrer Wiederholungen täglich sind sinnvoll und bereits mittelfristig sehr hilfreich.

Es gibt leider keine schnelle Heilung oder schlagartige Besserung bei dieser Art von Phobie. Da ein Erröten in extrem vielen Situationen möglich ist, vermeiden Betroffene eine Vielzahl von Situation und befinden sich in einem engen Angst-Korsett. Andererseits kann man die Vielzahl von Situationen aber auch als Chance sehen und als Möglichkeit nutzen, das Aushalten und Zulassen des Rotwerdens zu trainieren.

Als erster Schritt empfiehlt sich einmal klar für sich zu definieren, warum die Angst vor dem Rotwerden so ausgeprägt ist. Ist es wirklich so schlimm, wenn andere Schwächen an einem wahrnehmen und entdecken?

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