Eine Nacht im Leben eines Angstpatienten – Ein Bericht von Bernd P.

by Udo Unruh on 2. Dezember 2011

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Die Nacht war unruhig. Immer wieder bin ich aufgewacht, immer wieder musste ich aufstehen, rumlaufen und versuchen mich zu beruhigen. Es ist eine Nacht wie so viele.

Ruhige Nächte erlebe ich nur, wenn ich mich mit Tabletten vollpumpe, aber dann schlafe ich nicht, sondern ich liege im Koma. Außerdem bin ich danach tagelang wie gerädert, ich laufe dann wie auf Watte und das ist irgendwie sehr unangenehm. Deshalb lasse ich das meistens mit den Tabletten und quäle mich nüchtern durch die Nacht.

Ich bin abends vom ganzen Tag Angst und Panik haben immer so erschöpft, dass ich sehr schnell einschlafe.

Ich versuche mich so lange wie möglich wach zu halten, damit ich wenigsten nicht mitten in der Nacht, sondern erst am frühen Morgen aufwache. Manchmal geht diese Strategie auf, heute Nacht leider nicht.

Ich wache mitten in der Nacht auf. Es ist halb 3. Ich stehe auf und gehe ans Fenster. Ich hoffe darauf, dass irgendwo in der Nachbarschaft noch ein Licht an ist, dann fühle ich mich nicht so allein. Aber heute schlafen sie alle, meine glücklichen Nachbarn.

Ich spüre die Panik in mir hochsteigen. Es fühlt sich an, als ob ich der einzige noch atmende Mensch auf der Welt bin. Um mich ist alles still. Absolut still. Ich kann diese Stille nicht ertragen. Ich mache den Fernseher an, aber ich schaffe es nicht mich zu setzen. Meine Panik ist zu groß, die Unruhe in mir unerträglich. Ich möchte schreien. Laut in die Welt schreien, dass ich diese Angst nicht mehr aushalten kann.

Statt dessen versuche ich ruhig zu atmen, versuche mich daran zu erinnern, dass ich die Angst zwar ganz deutlich spüre, ich mich aber tatsächlich nicht in Gefahr befinde. Ich versuche mich daran zu erinnern, dass diese Angst so schlimm sie auch ist, “nur” eine Angst ist, die auf jeden Fall vorbei geht.

100, 1000 Mal hatte ich diese nächtliche Panik schon und 100, 1000 Mal habe ich diese Nächte überlebt. Mir ist nichts passiert und trotzdem bin ich in diesem Moment, in dieser Nacht davon überzeugt, dass es diesmal nicht nur einfach eine Panikattacke ist, die mich fast um den Verstand bringt, sondern dass es diesen Mal wirklich gefährlich ist. Ich werde umfallen oder sterben oder schreien oder verrückt werden und mich in der Psychiatrie wiederfinden!

Es ist schrecklich. Wie ein Tiger im Käfig laufe ich hin und her durch den Flur. Mein Atem geht schnell und mir wird flau im Magen und irgendwie schwindlig im Kopf. Mittlerweile ist es halb 4. Das geht jetzt schon eine Stunde so.

Nach weiteren 20 Minuten werde ich ruhiger. Ich atme wieder normal und spüre wie erschöpft ich bin. Tränen laufen mir über das Gesicht. Ich bin so fertig, so kaputt und vor allem so müde. Ich hoffe darauf nun doch noch ein wenig Schlaf zu finden und setze mich ins Bett. Hinlegen traue ich mich nicht. Dafür ist mir noch zu schwindelig. Immerhin kann ich jetzt dem Geschehen im Fernseher folgen.

Nach weniger als 5 Minuten bin ich eingeschlafen. Völlig erschöpft und im sitzen. Ich habe noch zwei Stunden geschlafen, aber dann ging die Nacht endgültig zu Ende.

Ich nehme tief Luft und hoffe inständig darauf, dass die nächste Nacht besser werden wird.
Sie wird es aber nicht. Sie wird genauso schrecklich sein wie die letzte.

Das in diesem Artikel verwendete Photo stammt von Aah-Yeah.

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