Ein Fall von Brückenphobie – Die Geschichte von Brigitte H.

by Udo Unruh on 27. November 2011

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Schon als Kind hatte ich Probleme mit Brücken. Egal ob eine Brücke über einen Fluss oder über eine Autobahn führte, ich konnte Brücken einfach nicht ausstehen. Wenn ich wusste, dass mein Weg über eine Brücke führen wird, wurde ich schon nervös als ich nur daran dachte.

Wenn ich dann auf einer Brücke stand hatte ich immer das Gefühl, dass ich nach unten gezogen werde. Es fühlte sich an, als ob ich in einen Sog geriet. Es war einfach grässlich und es macht mir furchtbar Angst.
Im Laufe der Zeit begann ich Strategien zu entwickeln, um das Überqueren von Brücken zu vermeiden. Das war gar nicht so einfach, weil der direkte Weg zur Schule, in die Stadt und zu meiner besten Freundin über eine Fußgängerbrücke führte.

Wenn ich alleine loszog, war das kein so großes Problem, ich habe einfach einen Umweg in Kauf genommen und entsprechend mehr Zeit für den Weg kalkuliert. Solange keine Brücke auf meinem Weg lag, hatte ich ja kein Problem. Immer dann, wenn ich nicht allein, sondern mit Freunden unterwegs war, hatte ich ein Problem.

Meine Brückenphobie war mir furchtbar peinlich. Wie sollte ich den anderen erklären, dass ich auf Brücken panische Angst bekam und mir regelmäßig sicher war, den heutigen Gang über die Brücke nicht zu überleben.

Für diese Situationen zettelte ich kurz vor der Brücke immer einen Streit mit einem meiner Freunde an und piesackte denjenigen solange, bis er mir Schläge androhte und ich losrennen “musste”. Ich rannte also über die Brücke und konnte so die Brücke zwar nicht vermeiden, aber wenigstens so einigermaßen mit Anstand überqueren.

Aber angenehm ist was anderes! Ich quälte mich sehr. Ich entwickelte mehr und mehr Panik davor eine Brücke überqueren zu müssen. In meiner Heimatstadt hatte ich soweit alles einigermaßen im Griff. Ich ging einfach die längeren Wege und vermied die Brücken einfach.

Reisen in fremde Städte waren dagegen immer eine große Herausforderung. In meiner Wahrnehmung lauerten überall Brücken, die von mir vermieden werden wollten. Es war schrecklich. Ich verreiste also immer weniger bis ich es dann ganz ließ.

Vor einigen Jahren sah ich im Fernsehen eine Dokumentation über Venedig. Das es da Brücken gibt wusste ich ja, aber sooo viele! Mir wurde beim reinen Anblick der Brücken schon schlecht. Ich bekam große Angst und hatte totale Beklemmungen. Ich zitterte am ganzen Körper. Jetzt konnte ich Brücken also nicht mehr nur nicht überqueren, ich konnte sie nicht mal mehr ansehen.

Mir war klar, das konnte so nicht weitergehen. Ich musste was unternehmen. Aber was? Und vor allem wie? Ich dachte bei mir “ich lasse mich doch von so ner Brücke nicht schikanieren!”. Mir wurde klar, dass ich mit diesen ständigen Umwegen und Vermeidungen sehr viel Lebenszeit vergeudet hatte und davon wollte ich einfach keine mehr hergeben.

Ich beschloss also die Brücken weiter ätzend, unangenehm und beängstigend zu finden, aber mir von ihr keine Lebenszeit mehr abknüpfen zu lassen. Ich begann also gezielt auf Brücken zu zugehen. Puh war das schlimm. Ich litt Höllenqualen. Jeder Gang über eine Brücke bedeutete eine Herausforderung, aber ich meisterte jede von ihnen. Ich kann Brücken einfach nicht ausstehen. Das hat sich nicht geändert und das wird sich wohl auch nicht ändern, aber ich lasse mir von diesen Mistteilen nicht mehr den Weg verstellen.
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Das Bild der Glienicker-Brücke, die zu Zeiten des Kalten Krieges eine gewisse Berühmtheit erlangte: Hier wurden Agenten zwischen Ost und West ausgetauscht, was der Brücke auch den Beinamen Agentenbrücke bescherte, wurde zur Verfügung gestellt von www.oldskoolman.de. Herzlichen Dank!

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